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Universalgelehrte und Archäologen

Carsten Niebuhr (1733-1815)

 

Carsten Niebuhr 17. marts 1733 - 26. april 1815, tysk/dansk opdagelsesrejsende, J. P. Trap: Berømte danske mænd og kvinder, 1868
Carsten Niebuhr 17. marts 1733 - 26. april 1815, tysk/dansk opdagelsesrejsende, J. P. Trap: Berømte danske mænd og kvinder, 1868
Carsten Niebuhr, geboren am 17. März 1733 in Lüdingworth, Land Hadeln, war Mathematiker, Kartograph und Forschungsreisender in dänischen Diensten.

1761 wurde er von König Frederik V. von Dänemark als Kartograph in eine sechsköpfige Arabien-Expedition berufen, die er noch im gleichen Jahr als "Arabische Reise" mit einer Schiffspassage von Kopenhagen nach dem in Ägypten gelegenen Alexandria antrat.

Neben Carsten Niebuhr nahmen an dieser Forschungsreise 5 weitere Personen teil:

  • Professor Peter Forsskål, Naturkundler und Orientalist
  • Professor Friedrich Christian von Haven, Philologe und Kenner der arabischen Sprache
  • Doktor Christian Carl Cramer, Arzt
  • Georg Wilhelm Baurenfeind, Kupferstecher und Maler 
  • Berggren, Dragoner und Diener

Nahezu alle Expeditionsteilnehmer starben an der damals noch nicht diagnostizierbaren Malaria. Als letzter Begleiter Niebuhrs vom jemenitischen Al Mukha (Mokka) nach Bombay in Indien verstarb auch Forsskål im Jahre 1762.

Der Auftrag zu dieser Forschungsreise erging durch den dänischen König Frederik V. von Dänemark. Er übernahm auch die Finanzierung. Die Initiative stammte jedoch von einem bereits 1753 ergangenen Aufruf des Göttinger Orientalisten Johann David Michaelis, der sich von dieser Expedition in den Vorderen Orient Beweisstücke für den Wahrheitsgehalt der biblischen Erzählungen erhoffe. Dieser lud Wissenschaftler aus ganz Europa dazu ein, entsprechende Fragen einzureichen.

Erst 1761 trat die vom König ausgerüstete Expeditionsgruppe die Reise an, um den etwa 100 eingereichten Fragen nachzugehen. Der Kartograph Carsten Niebuhr kehrte 1767 als einziger Überlebender von dieser Reise zurück. 1774 veröffentlichte er die Beschreibung von Arabien, in der er zwar zahlreiche der von Johann David Michaelis aufgegebenen Fragen beantwortete, die ihrer Konzeption nach  allerdings nicht seinen Vorstellungen von einer philologisch orintierten Materialsammlung  entsprachen.

Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 7. - 10. Oktober 199 in Eutin

Der erste "wissenschaftliche" Reisende der Neuzeit ...

Zu Ehren Carsten Niebuhrs (1733-1815), des ersten "wissenschaftlichen" Reisenden der Neuzeit und einzigen Überlebenden der dänischen Arabienexpedition (1761-1767) fand im September 1999 in Eutin ein deutsch-dänischer Kongress statt, der sich den Leistungen Niebuhrs sowie den Voraussetzungen und Ergebnissen der Reise widmete. Die in diesem Band vereinigten Beiträge der Tagung sind so konzipiert, daß die Reise als Beispiel aufgeklärter Wissenssammlung, Orienterfahrung und -rezeption, der Reisende als Mitglied einer europäischen Gelehrtenrepublik verständlich wird, die bald darauf einem "Apriori europäischer Überlegenheit" bzw. nationaler gelehrter Engstirnigkeit Platz machen müssen. Das Buch ist damit gleichermaßen reise- wie mentalitäts- und geistesgeschichtliches "Standardwerk".

 

Franz-Steiner Verlag

Auf den Spuren Adam Olearius' und Carsten Niebuhrs in Iran

" Die Idee, dänische und deutsche Kolleginnen und Kollegen unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen über "Carsten Niebuhr und seine Zeit" diskutieren und schreiben zu lassen, entstand 1998 anlässlich einer Sitzung des "Zentrums für Asitische und afrikanische Studien" (ZAAS) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (...)

Obwohl das ZAAS erst einige Jahrzehnte besteht, können die einzelnen Wissenschaften vom Orient an der Christiana Albertina  auf eine zum Teil lange Tradition zurückblicken.  So wurden dort orientalische Sprachen seit  der Gründung der Universität im Jahre 1665 im Rahmen der damaligen Theologie unterrichtet. Der erste Professor für Orientalische Sprachen war Justus Olshausen (von 1830-1852). In das 19. Jh. führen auch die Anfänge der Indologie zurück, und der wohl bekannteste Kieler Althistoriker jener Zeit, Alfred von Gutschmidt (1863-1873), war nicht zuletzt durch seine Arbeiten zur Geschichte des Orients ausgewiesen (...)"

(op. cit., Wiesehöfer Josef; Conermann, Stephan (Hrsg.), Carsten Niebuhr (1733-1815) und seine Zeit. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 7.-10. Oktober 1999 in Eutin. Oriens et Occidens Bd.5, Franz-Steiner Verlag, Stuttgart 2002, S. 7-8)

"Bei der Vorbereitung des Colloquiums waren sich die Veranstalter über mehrere Dinge einig: Es sollte zunächst deutsche und dänische Niebuhrexperten zu wissenschaftlichem Austausch zusammenbringen. Zum einen ist in diesen Ländern ein Großteil der Forschung konzentriert, die sich mit der "Arabischen Reise" beschäftigt, ihre Ergebnisse und "Nachlässe" wissenschaftlich betreut und auswertet. Zum anderen mochte auf diese Weise der historisch unsinnigen Auseinandersetzung um die Frage begegnet werden, ob Carsten Niebuhr denn nun als deutscher oder dänischer gelehrter Reisender zu bezeichnen sei. Als Sohn eines freien Bauern aus dem weitgehend selbständigen Hadeln, als Reisender in dänischen Diensten und dänischer Untertan, als dithmarscher Landschreiber und Mann mit internationalen Kontakten und internationaler Anerkennung entzieht sich Niebuhr u. E. jeder engstirnigen und unzeitgemäßen nationalstaatlichen Vereinnahmung, erscheint vielmehr als europäischer "Grenzgänger", als Angehöriger einer gesamteuropäischen "Gelehrtenrepublik" und als Wanderer zwischen Orient und Okzident ausgesprochen "modern" (...)"

(op.cit., ibid, S.13-14)

TABULA ITINERARIA / a SUES usque ad / DSJABBEL EL MOKATTEB / et Montem SINAI ( NIEBUHR, Beschreibung von Arabien [wie Anm.1], Tab. XXIII [ad pag. 408]), ibid., S. 148
TABULA ITINERARIA / a SUES usque ad / DSJABBEL EL MOKATTEB / et Montem SINAI ( NIEBUHR, Beschreibung von Arabien [wie Anm.1], Tab. XXIII [ad pag. 408]), ibid., S. 148

Die Arabische Reise

"Regelrechte wissenschaftliche Expeditionen in den Vorderen Orient, die sich nicht in Besuchen einzelner Individuen an Ruinen- und anderen historischen Stätten erschöpften oder gleichsam "Abfallprodukte"merkantiler oder politisch-diplomatischer Interessen waren, wurden erst möglich, als die europäischen Mächte nach dem Ende der Türkenkriege auf dem Balkan in den Friedensschlüssen von 1718 und 1739 intensive ökonomische und politische Kontakte mit dem Osmanischen Reich geknüpft hatten, als sich zudem die europäische Aufklärung um eine systematische Sammlung von Wissen über die Völker, Kulturen sowie Flora und Fauna Vorderasiens bemühte.

Das erste bedeutende Beispiel für eine solche nahezu rein aus wissenschaftlichen Gründen durchgeführte Forschungsreise ist die bereits erwähnte, vom dänischen König Friedrich V. finanzierte Unternehmung, die man in Dänemark im Anschluß an den Sprachgebrauch als "Arabische Reise" zu bezeichnen pflegt und die im Mittelpunkt dieses Tagungsbandes steht.

Obwohl mit Carsten Niebuhr nur einer der Teilnehmer der Expedition überlebte, obwohl aus diesem Grunde der Aufenthalt der Reisenden in Arabien kürzer ausfiel als ursprünglich geplant, war die Reise doch von großem wissenschaftlichem Ertrag, dessen Bewahrung und Überlieferung großenteils Niebuhr zu verdanken ist. So übergab er nicht nur der Königlichen Bibliothek die von den Teilnehmern auf der Reise erworbenen Manuskripte sowie botanischen und zoologischen Sammlungen, die er im zweiten Teil der Reise z.T. selbst ergänzt hatte; Niebuhr war es auch, der Forsskåls "Flora Aegyptiaco-Arabica" und "Descriptiones animalium" zusammen mit Baurenfeinds Abbildungen 1775 und 1776 publizierte. Seine eigene "Beschreibung von Arabien" hatte er da bereits veröffentlicht, einen systematischen Bericht, dem er 1774-1778 die ersten beiden Bände seiner chronologisch geordneten "Reisebeschreibung nach Arabien und anderen umliegenden Ländern" folgen ließ. Beide Werke enthalten in klarer, nüchterner Diktion, unterstützt durch zahlreiche präzise Abbildungen und vorbildliche Karten und Pläne, eine Fülle neuer geographischer, landeskundlicher und historischer Informationen. So wurden seine genauen Ortsbestimmungen ebenso geschätzt wie seine zahlreichen genauen Pläne und Karten, von denen die des Roten Meeres und Jemens für mehr als 50 Jahre maßgeblich blieben. Durchaus in Übereinstimmung mit den gelehrten Instruktionen, die der Expedition zugrundelagen, verwandte Niebuhr viel Zeit und Mühe darauf, bislang unbekannte Schriften und Inschriften zu kopieren; seine Abzeichnungen der achaimenidischen und sasanidischen Königsinschriften aus Persepolis und Naqsch-i-Rustam dienten schließlich europäischen Schreibstubengelehrten als Grundlage für die Entzifferung der altpersischen, elamischen und akkadischen Keilschrift(en) sowie des in einer Variante der aramäischen Schrift geschriebenen Mittelpersischen und Parthischen.

Niebuhrs spezifische Art und Weise, mit den Einheimischen in einen Dialog zu treten, sich in Kleidung, Ernährung und Verhalten den einheimischen Traditionen anzupassen, verschaffte ihm zugleich das Prädikat "erster moderner Forschungsreisender". Der berühmte Sohn Barthold Georg, der Begründer quellenkritischer Althistorie, hat den Vater zu Recht gleichsam als Person charakterisiert, die, wie es ein Teilnehmer unserer Niebuhr-Tagung in Eutin formulierte, "Wissen dadurch schuf, daß er als Vermessungspraktiker selbst das sprachlich und bildlich vermaß, was er nicht verstand. Gerade deshalb erscheint er "uns heute", die wir der Orientalismusfalle entkommen wollen, so authentisch." (KUCHENBUCH) (...)"

(op. cit., ibid., S.11-12)

"Elephanta: Andhakāsuravadhamūrti nach Niebuhr". Aus: Niebuhr 1778, Tab. X, ibid., Abb.21, S. 262
"Elephanta: Andhakāsuravadhamūrti nach Niebuhr". Aus: Niebuhr 1778, Tab. X, ibid., Abb.21, S. 262

Urteilsoffene Neugier

"Carsten Niebuhrs Einstellung gegenüber den Expeditionsaufträgen und -zielen sowie ihren materiellen und menschlichen "Objekten" läßt sich demnach wie folgt beschreiben:

Er entwickelt, erprobt und nutzt ein Instrumentarium von Fragen, Methoden und Hilfsmitteln, das mit den nur teilweise berücksichtigungsfähigen, z.T. verspätet eintreffenden und letztlich seinen eigenen Interessen zuwiderlaufenden philologisch-historischen "Instruktionen" nur sehr bedingt vereinbar ist. Man beobachtet bei ihm vorbehaltlosen und vorurteilsfreien Realismus sowie urteilsoffene Neugier, zugleich ein Bemühen, nicht vorschnell Erklärungen zu suchen für Dinge, die noch des gründlichen Beschreibens, der exakten Vermessung, des genauen Abzeichnens bedürfen; überall tritt Niebuhr in einen offenen Dialog mit den ähnlich unwissenden Einheimischen, ihrer Umwelt und ihren Traditionen. Nach seiner Rückkehr ergänzt er den Erkenntnisgewinn vor Ort (Tagebuch) durch solchen in der Studierstube, nicht zuletzt, um sich als Sachautorität vorstellen zu können. Möglicher Kritik (etwa an fehlenden "Erklärungen") versucht er durch eine eigene Definition seiner Aufgaben und Ziele zu entgehen; einer Unterschätzung seiner Leistung (etwa durch Johann Gottfried Herder) begegnet er mit dem Verweis auf die Schwierigkeiten des "Beschreibens", fremde Anerkennung nimmt er dankbar an, an der Auswertung seiner Beschreibungen zeigt er sich sehr interessiert.

Es verwundert nicht, daß Carsten Niebuhr und die "Arabische Reise", wie nicht zuletzt die Eutiner Tagung beweist, bis heute mit großem Interesse einer gelehrten wie einer breiteren Öffentlichkeit rechnen können;  dies umso mehr, als der zu Niebuhrs Zeiten gepflegte wissenschaftliche Austausch über Ländergrenzen hinweg den Gepflogenheiten der heutigen "Gelehrtenrepublik" zu entsprechen, als die Abkehr von Eurozentrismus und Orientalismus, die in einer immer stärker zusammenwachsenden Welt notwendiger denn je erscheint, auf Niebuhrs Einstellungen und Verhalten zurückzuverweisen scheint (...)"

(op. cit., ibid., S. 12-13)

"Elephanta: Gańgādharaśiva nach Niebuhr". Aus: Niebuhr 1778, Tab. VII, ibid.,  Abb. 14, S. 255
"Elephanta: Gańgādharaśiva nach Niebuhr". Aus: Niebuhr 1778, Tab. VII, ibid., Abb. 14, S. 255

Carsten Niebuhr an Johann Gottfried Herder

"Meldorf d. 18t. Jan: 1788.

Es fehlt einem Reisebeschreiber nicht an Recensenten die es gleich ausrufen, es sey wiederum ein neues Product zu Markte gekommen, aber selten giebt ein würklicher Gelehrter sich die Mühe, seine Beobachtungen critisch zu untersuchen. Um desto angenehmer war mir die Abhandlung über Persepolis, welche Ew. Hochw. mir zuzusenden die Güte gehabt haben. Ich danke Ihnen dafür auf das verbindlichste, und bitte die annoch zu Persepolis befindliche Ruinen ihrer Aufmerksamkeit noch ferner zu würdigen. Ein kleiner Aufsaz, in welchem ich einige Nachlässigkeiten in meiner ersten Beschreibung dieser Alterthümer zu verbessern gesucht habe, dürfte darzu vielleicht auch noch einige Gedanken geben können. Er wird sich in dem Stücke des deutschen Museums für den Monat März finden, und der Verleger hat Ordre selbigen gleich nach dem Abdruck an Ew. Hochwürden zu befördern.

Was man auch bisher von der frühen Cultur der Egypter gesagt haben mag, so glaube ich doch, die alten Perser haben selbige in der Zeichnungs-Bildhauer und Baukunst weit übertroffen. Und diesen Persern haben, nach meinem Bedünken, die alten Indier nichts nachgegeben. Von letztern habe ich zwar nur die Pagode auf der Insel Elephanta gsehen, und bey weitem nicht alle daselbst annoch befindliche Figuren gezeichnet, aber doch genug um die europäischen Gelehrten mit dem Geschmack der alten Indier bekannt zu machen. Die Beschreibung des Engländers Hunter, welche sich im 9ten Bande der neuen Reisebeschreibung (Hamb. bey Bohn) befindet, kann es unter andern bezeugen, daß meine Abbildungen mit dem gehörigen Fleisse gemacht sind.

Ich habe das Petschaft mit der alten persischen Schrift, welches auf der 20t. Tabelle des 2ten Bandes meiner Reisebeschreibung abgebildet ist, an das Königl. Cabinet in Kopenhagen geschenkt, mein Sohn aber hat davon einen Abdruck in seiner Siegelsammlung, und der legt ein paar wiederum davon genommene Abdrücke hiebey an. Wenn Ew. Hochwürden die Gewogenheit haben wollten, ihm für seine Sammlung wiederum einige adelige Siegel aus Ihrer Gegend zu senden, so würden Sie dadurch nicht nur ihn, sondern auch mich verbinden. Das Päckgen kann an Herrn Weigand, den Verleger des Deutschen Museums zur gelegentlichen Beförderung an Herrn Justizrath Boie gesandt werden.

Ich bediene mich dieser Gelegenheit um mich Dero gütigem Andenken zu empfehlen, und verbleibe mit vorzüglichster Hochachtung

Ew. Hochwürden

gehorsamster Diener

Niebuhr "

 

(op. cit., Hollmer, Heide; Meier, Albert, "Im Glauben an diese alte Asiatische Cultur Einig" Carsten Niebuhrs Spuren bei Johann Gottfried Herder, in: Wiesehöfer, Josef; Conermann, Stephan (Hrsg.), S. 337-338; Handschrift: Staatsbibliothek zu Berlin. Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sign.: NL Herder, Kps. IX, 49. Transkription: Günter Arnold)

Johann David Michaelis

Rasmussen S. (ed.), Carsten Niebuhr und die Arabische Reise 1761-1967. Katalog der Ausstellung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen in Zusammenarbeit mit dem Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein, Landesbibliothek Kiel. Heide in Holstein 1986, S. 11. 90, Kat.-Nr. 7, Abb.2., ibid, S.401
Rasmussen S. (ed.), Carsten Niebuhr und die Arabische Reise 1761-1967. Katalog der Ausstellung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen in Zusammenarbeit mit dem Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein, Landesbibliothek Kiel. Heide in Holstein 1986, S. 11. 90, Kat.-Nr. 7, Abb.2., ibid, S.401

Inspirator und geistiger Mentor der Arabien-Expedition

"Michaelis war der Initiator, der Inspirator und der geistige Mentor der Arabien-Expedition - als solcher galt er schon früh, wie aus der Beilage eines Briefes von Bernstorff an Michaelis vom 4. Juni 1765 hervorgeht, in der Linné Michaelis als "Urheber der bekannten Expedition nach Arabien" bezeichnet. In dieser Urheberschaft liegt wohl alleine schon sein großes Verdienst. In Friedrich V. als Mäzen und in von Bernstorff und von Moltke als Organisatoren und Schirmherren fand er kongeniale Ansprechpartner für sein Projekt, wobei Bernstorff letztlich die mit Abstand wichtigste, entscheidenste und einflußreichste Gestalt unter diesen dreien war (vgl. Beschreibung S. VII). Michaelis' grundlegender Beitrag zur Expedition bestand in der Idee als solcher, in den ausgearbeiteten Leitlinien und der wissenschaftlichen Programmatik. Darüber hinaus nutzte Michaelis die Arabien-Expedition geschickt und erfolgreich zur Pflege seines eigenen Renommees.

Er beeinflusste maßgeblich die Personalauswahl der Expedition. Man kann sich darüber streiten, ob in allen Fällen die geeignetsten Personen ausgewählt wurden; immerhin gehörten Niebuhr und Forsskål dazu, die beiden, die am meisten zur wissenschaftlichen Bedeutung der Expedition beigetragen haben. Aus dem Umfeld ihres wichtigsten Förderers kam Niebuhr nach seiner Rückkehr auch entsprechende Hochachtung entgegen, wie zum Beispiel aus einem Brief von Andreas Peter Bernstorff an Andreas Gottlieb Bernstorff vom 21. November 1767 hervorgeht:

"M. Niebuhr est ici de retour depuis hier après un voyage de 7 ans. C´est le seul qui a survécu de tous ces savants qui ont fait aux dépens du roi le voyage en Arabie et au mont Sinai. C'est un homme de beaucoup de mérite dont des voyages, seurement fort curieux, seront publiés avec le tems "

Michaelis' Fragen bildeten die Grundlage der königlichen Instruction  von 1760, waren den Expeditionsteilnehmern aber nur teilweise und in Vorformen bekannt, zu spät zugesandt, zu ausführlich und zu bibelwissenschaftlich orientiert.  Sie zeigen Michaelis als Kind und zugleich Pionier seiner Zeit, der sich vom ancilla-theologiae-Wissenschaftsmodell und von einer philologia sacra nie lösen konnte, gleichzeitig aber wissenschaftlich und wissenschaftsorganisatorisch Erhebliches und Innovatives leistete; noch war die Orientalistik überwiegend ein Teil der Theologie und erst auf dem Weg, sich als eigenständige Disziplin zu emanzipieren, während die alttestamentliche Wissenschaft gerade anfing, sich nicht nur als theologische, sondern ebenso als orientalistische Disziplin zu verstehen. Die Expedition von 1761-1767 war zwar nicht die erste wissenschaftliche Expedition überhaupt, denkt man zum Beispiel an die Orenburgische Expedition von 1734-1737, aber in jedem Fall die erste wissenschaftliche Forschungsreise nach Arabien. Als solche war sie ohne Michaelis nicht denkbar und nicht möglich gewesen. Michaelis stand am Anfang jener Reihe von Göttinger Orientalisten und Alttestamentlern, die über Johann Gottfried Eichhorn (1752-1827) und Heinrich August Ewald (1803-1875) zu Julius Wellhausen (1844-1918) reichte.

Der Erfolg der Reise lag unter anderem auch in der teilweisen Nichtbeantwortung der "Fragen" (und d. h. letztlich in der diesbezüglichen Nichteinhaltung der königlichen Instruktion) begründet: Halte man sich im nachhinein hypothetisch aus, die Reiseteilnehmer hätten allen Ernstes und konsequent versucht, zuerst und vor allem "Fragen" zu beantworten, hätten sie sie denn vorliegen gehabt, hätte die Expedition wohl kaum die Bedeutung erlangt, die ihr tatsächlich zukommt.

Mit der Drucklegung seiner Fragen verschwand Michaelis nach und nach aus dem Gesamtzusammenhang seines eigenen Projektes. Niebuhr hatte auf seinem Rückweg von Arabien nach Kopenhagen in Göttingen Station gemacht, der Akademie, der er seit 1760 als korrespondierendes Mitglied angehörte, einen kurzen mündlichen Bericht erstattet und Michaelis, den er als "großen Kenner des Morgenlandes" bezeichnete (Beschreibung, S. XVI), getroffen. Noch viele Jahre lang standen beide in brieflichem Kontakt miteinander; der letzte nachweisbare Brief stammt aus dem Jahr 1783. Des weiteren sandte Niebuhr auch einzelne Sammelstücke seiner Arabien-Expedition wie Meerschaum-Pfeifen, Asbest aus Zypern, Versteinerungen, seine Karte des Jemen u.ä. an die Göttinger Akademie der Wissenschaften. Als auch noch lange nach der Arabien-Expedition junge Leute nach Göttingen kamen, um bei Michaelis zu studieren, stellte sich dem einen oder anderen wie zum Beispiel dem Kopenhagener A. Chr. Hviid nicht von ungefähr die Frage, "warum Niebuhr nicht mehr ausgezeichnet worden sei" als Michaelis. Immerhin schrieb Johann Heinrich Voß (1751-1826) aus Otterndorf, wo er von 1778-1782 an der dortigen Lateinschule unterrichtete, die Niebuhr als Kind besucht hatte, in einem Brief vom 20. August 1781 an L. Fr. Günter Goeckingk (1748-1828):

"... und würde die ganze Reise bereut haben, wenn ich nicht bei dem ehrlichen Hadler Niebuhr logirt hätte."

(...)"

(op. cit., Hübner, Ulrich, Johann David Michaelis und die Arabien-Expedition 1761-1767,  in: Wiesehöfer, Josef; Conermann, Stephan (Hrsg.), S. 397-399)

 

Fortsetzung: Rezeption und Kulturkritik ...

 

© Ulrike-Christiane Lintz, 12.06.2007

Franz Steiner Verlag
Wiesehöfer Josef; Conermann, Stephan (Hrsg.), Carsten Niebuhr (1733-1815) und seine Zeit. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 7.-10. Oktober 1999 in Eutin. Oriens et Occidens Bd.5, Franz-Steiner Verlag, Stuttgart 2002
Wiesehöfer Josef; Conermann, Stephan (Hrsg.), Carsten Niebuhr (1733-1815) und seine Zeit. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 7.-10. Oktober 1999 in Eutin. Oriens et Occidens Bd.5, Franz-Steiner Verlag, Stuttgart 2002
Peter Forsskål's Portrait, vor 1761
Peter Forsskål's Portrait, vor 1761
Portrait of Frederik V. in his coronation robes. Painting by C.G. Pilo.
Portrait of Frederik V. in his coronation robes. Painting by C.G. Pilo.
Rasmussen S. (ed.), Carsten Niebuhr und die Arabische Reise 1761-1967. Katalog der Ausstellung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen in Zusammenarbeit mit dem Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein, Landesbibliothek Kiel. Heide in Holstein 1986, S. 11. 90, Kat.-Nr. 7, Abb.2., ibid, S. 401
Rasmussen S. (ed.), Carsten Niebuhr und die Arabische Reise 1761-1967. Katalog der Ausstellung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen in Zusammenarbeit mit dem Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein, Landesbibliothek Kiel. Heide in Holstein 1986, S. 11. 90, Kat.-Nr. 7, Abb.2., ibid, S. 401