Kassel University Press
Die Kasseler Talmudfragmente
Einfiührung
Die jüdische Schriftkultur gehört zu den ältesten der Welt, und viele mit ihr verbundene Besonderheiten werden bis heute beachtet. (1) So ist es bis in die Gegenwart üblich und geboten, Texte der Bibel auf ,,koshere", d.h. taugliche, den besonderen Reinheitsvorstellungen der jüdischen Tradition entsprechenden Pergamenten niederzuschreiben, um sie auf diese Weise für den rituellen Gebrauch im synagogalen Gottesdienst zu heiligen. Die Regeln für die Niederschrift religiöser Texte werden bereits im Talmud, dem Hauptwerk der jüdischen Traditionsliteratur aus dem 5. und 6. Jahrhundert nach der allgemeinen Zeitrechnung erläutert. (2) Manuskripte und die handschriftliche Schreibkultur insgesamt zu bewahren und zu pflegen, gehört daher schon seit der Antike zu den besonderen Anliegen jüdischer Kultur. Der getreuen Überlieferung vor allem des Pentateuch, der fünf Bücher Mose, aber auch von Tefillin (Gebetskapseln) und Mezuzot (Türpfostenkapseln) sowie anderer Traditionsschriften wie vor allem des Talmud und der biblischen Auslegungswerke (Midrashim) ist stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt worden. Die Regeln, die von den Schreibern auf die Anfertigung einer Tora-Rolle angewandt wurden, sind auf die Niederschrift anderer Schriftstücke übertragen worden, obgleich sich die Schriftarten, je nach Lebenswelt, im Orient und in Westeuropa änderten und ständig weiterentwickelten.(3)