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Impressionen - Raum 2 : Rückkehr nach Indien

Die Rückkehr nach Indien

Melancholie

Amrita Sher-Gil, Frauen aus den Bergen, 1935. Öl auf Leinwand - Collection Vivan und Navina Sundaram, Neu Delhi © Copyright the artist: Amrita Sher-Gil

1934 kehrte Amrita Sher-Gil nach Indien zurück. Charakteristisch für die ersten Porträts, die nach ihrer Rückkehr entstanden, ist eine Melancholie, die an das starke, unbestimmte Sehnen der Romantik erinnert. Der Kunsthistoriker Deepak Ananth hat diese Porträts in Verbindung mit Amritas damaliger Situation gebracht: Die Künstlerin, von deren Charisma sich Männer ebenso wie Frauen angezogen fühlten, war an der Syphilis erkrankt.

Amrita hatte noch in Paris "auf seltsam unerklärliche Weise" gespürt, dass dort in Indien "ihre Bestimmung als Malerin" lag. Wegen des Reichtums ihrer Farbpalette hatte ihr Professor oft gesagt, sie sei "in den grauen Ateliers des Westens nicht in ihrem Element". Und tatsächlich wurde ihre Rückkehr nach Indien zu einer Entdeckungsreise, die inhaltlich und formal eine vollständige Neuorientierung bewirkte:

"Es war der Winter in Indien - einsam und gleichzeitig seltsam schön - mit endlos langen Feldwegen durch strahlend gelb-graues Land, dunkelhäutigen, unglaublich dünnen Männern und Frauen mit traurigen Gesichtern, die sich lautlos bewegen, fast wie Silhouetten, all das von einer unerklärlichen Melancholie beherrscht. Anders als das sinnliche, farbige, sonnige und oberflächliche Indien, das auf den Reisepostern so falsch dargestellt wird und das ich erwartet hatte."

Amrita Sher-Gil

Ländliches Leben und Armut

Amrita Sher-Gil,  Bergszene, 1938. Öl auf Leinwand - National Gallery of Modern Art, Neu Delhi

In  Three Girls (1935)  sind bereits die für Amrita Sher-Gil charakteristische Faszination durch die Farbe Rot, die greifbare Nähe ihrer Figuren zum Betrachter und die dunklen Töne ihrer Hintergründe präsent; mit  Hill Men und Hill Women  (ebenfalls 1935) findet sie zu ihrem Thema, der Darstellung des ländlichen Lebens und der Armut. Ihre Farbgebung ist vibrierend, glühend und intensiv. Die Darstellungen jedoch wirken auf den ersten Blick unpersönlich, denn die Künstlerin nähert sich ihrem Thema nicht mit den Mitteln des Erzählerischen, die eine bestimmte Handlung hervorheben würden; vielmehr lässt sie eine Art Tableau vivant entstehen: Ihre manchmal leicht überlangen Figuren posieren schweigend, bewegungslos, ikonenhaft. Auf sublimere Weise als über das Anekdotische vermitteln die Figuren so die Ahnung des bedeutungsvollen Augenblicks, der für das Tableau vivant charakteristisch ist.

Frühe indische Skulpturen

Die Plastizität und Statik ihrer Figuren, ihre Grazie und die flüchtigen Berührungen, mit denen sie einander streifen, lassen erkennen, wie stark Amrita Sher-Gil von den frühen indischen Skulpturen beeindruckt war. 1936 unternahm sie eine ausgedehnte Reise durch das Land, die sie unter anderem zu der buddhistischen Felsenmalerei von Ajanta (6./7. Jh.) führte. Auch die südindischen  Fresken von Mattancheri (17. Jh.) sowie die mittelalterliche Miniaturmalerei der Moghulen und Rajputen Nordindiens empfand Amrita Sher-Gil als künstlerische Offenbarung; ihr Briefwechsel mit dem Kunsthistoriker  Karl Khandalavala  gibt darüber Auskunft.

Alltägliche Wirklichkeit

Nach dieser Reise sind ihre Figuren stärker mit der sie umgebenden alltäglichen Wirklichkeit verhaftet. Der Blick der Malerin ist nun weniger vom Streben nach majestätischer Pose und romantischer Überhöhung geprägt; er ist entspannter und distanzierter, manchmal sogar ansatzweise ironisch. Während ihrer Reise durch Indien hatte Amrita Sher-Gil auch die weltabgeschiedene Lebensweise der Frauen auf feudalen Landgütern kennen gelernt, ihre Arten von Zeitvertreib und ihre - auch erotischen - Sehnsüchte. Diesem Thema mit seinen intimeren Stimmungen wendet sie sich in  The Swing,  Woman at Bath  und Woman Resting on Charpoy   (alle 1940) zu.

 

Quelle: Haus der Kunst, München