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Ursprünge der Kunst

Die vorgeschichtliche Zeit

Die Entwicklung von Techniken, die den Menschen befähigt haben, seinen Lebensraum zu beherrschen, begann vor über zwei Millionen Jahren im Osten Zentralafrikas. Diese ersten Werkzeuge aus abgekanteten Kieselsteinen wurden von einem menschenähnlichen Lebewesen gefertigt, das als "Homo habilis", der geschickte Mensch, bezeichnet wird. Vor etwa einer Million in Afrika und vor etwa einer halben Million Jahren in Asien und Europa schuf der "Homo erectus" ein wirksameres Werkzeug, den zweischneidigen Faustkeil. In China hatten Angehörige dieser Spezies bereits die Verwendung des Feuers erlernt. Es dauerte weitere 250 000 Jahre, bis man dazu überging, Beilen und Vielzweckwerkzeugen mehr oder weniger regelmäßige Formen zu geben. Damit war der erste Schritt in Richtung einer künstlerischen Tätigkeit getan.
Mann aus Cernavodă, Rumänien, 4000-3500 v. Chr., Ton, Höhe 11,5 cm, Antikenmuseum, Institut für Archäologie, Bukarest; Abb., ebd., S. 28
Mann aus Cernavodă, Rumänien, 4000-3500 v. Chr., Ton, Höhe 11,5 cm, Antikenmuseum, Institut für Archäologie, Bukarest; Abb., ebd., S. 28
Der Neandertaler, "Homo sapiens neandertalensis", der in Europa und im westlichen Asien seit etwa 125 000 v. Chr. lebte, stellte eine Vielzahl von Werkzeugen her. Angehörige dieser Subspezies färbten ihre Körper mit rötlichem Ocker. Ihre Gedanken scheinen sich bereits über die materielle Welt hinaus erstreckt zu haben, denn sie beerdigten ihre Toten mit Grabbeigaben, Lebensmitteln und Waffen. Bei La Ferrassie in Frankreich hat sich sogar eine Art Grabdenkmal erhalten, ein großer Stein, aus dem paarweise konkave Kerben herausgehackt worden sind. Wenn diese Markierungen dem Gedenken, dem Magischen oder einer anderen von äußerer Zwecksetzung freien Absicht gedient haben sollten, dann wäre hier der zweite Schritt zur Kunst hin geschehen. Diese Jahrtausende der letzten Eiszeit wurden von den etwas wärmeren Perioden der Zwischeneiszeiten unterbrochen. Während der letzten Zwischeneiszeit, etwa um 40 000 v. Chr., verschwand der Neandertaler, und eine andere Subspezies trat in Asien und Europa in Erscheinung, die als Einzige überlebte: der "Homo sapiens sapiens", wie wir zoologisch bezeichnet werden. Die damaligen Menschen, die uns in jeder wesentlichen Hinsicht glichen, meißelten vor der Endzeit der Eiszeit die frühesten uns bekannten Gegenstände, die als Kunstwerke angesprochen werden können.1.4; 1.5.
Wildpferd aus der Vogelherdhöhle, Schwäbische Alb, 25 000-20 000 v. Chr., Mammutelfenbein, Länge 4,8 cm. Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen; Abb. 1.4, ebd., S. 31.
Wildpferd aus der Vogelherdhöhle, Schwäbische Alb, 25 000-20 000 v. Chr., Mammutelfenbein, Länge 4,8 cm. Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen; Abb. 1.4, ebd., S. 31.
Leider lassen sich die aus dieser fernen Zeit erhaltenen Bildwerke noch nicht genau datieren und zu einer Entwicklungsreihe ordnen. Die frühesten davon sind nur mit einem Spielraum von fünftausend Jahren einzugrenzen. Vorläufer dieser Werke aus vergänglichen Materialien wie Holz und ungebranntem Ton sind zu vermuten.
Mammut aus der Vogeherdhöhle,Schwäbische Alb, 25.000 -20.000 v. Chr., Mammutelfenbein, Länge  4,8 cm. Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen; Abb. 1.5, ebd., S. 31.
Mammut aus der Vogeherdhöhle,Schwäbische Alb, 25.000 -20.000 v. Chr., Mammutelfenbein, Länge 4,8 cm. Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen; Abb. 1.5, ebd., S. 31.

Somit hebt sich der Vorhang der Kunstgeschichte erst einige Zeit nach ihrem Beginn. Inwieweit die erhaltenen Bildhauerarbeiten überhaupt für die Kultur typisch sind, aus der sie stammen, können wir nicht feststellen. Man fand sie über ein riesengroßes Gebiet Europas und Südrusslands verstreut und im Vergleich zu Werkzeugen und Geräten - darunter eindrucksvoll gearbeitete Flintsteine von schematischer Form - verständlicherweise selten.

Die Kunst der Jäger

Die bei Willendorf in Österreich gefundene kleine Frauenfigur - nicht größer als 10,6 cm - ist das berühmteste dieser frühesten Kunstwerke 1.1. Sie ist etwa 20 000 bis 27 000 Jahre alt und wurde aus Kalktein gemeißelt, Farbspuren weisen auf eine ursprüngliche Bemalung. Die überdeutlichen fleischigen Rundungen des Körpers sind mehr erfühlt als beobachtet. Hände, Arme, Unterschenkel  sind nur skizzenhaft wiedergegeben, und die Frau hat kein Gesicht. Winzige Haarlocken bedecken fast den gesamten Kopf. Es lässt sich kaum daran zweifeln, dass die Figur als Verkörperung der Fruchtbarkeit geschaffen wurde, wohl als magisches Amulett, das in der Hand zu halten war. Bei anderen weiblichen Figuren, die später datiert werden, sind Brüste, Bauch und Gesäß ähnlich betont. In einem Fall, bei der Frau aus Lespugne (Museé de l'Homme, Paris), sind diese Körperteile sogar fast völlig zu Kegeln und Kugeln abstrahiert worden. Manchmal wird nur ein Teil des Körpers wiedergegeben, so die aus Elfenbein geschnitzten Brüste, die bei Dolní Vĕstonice in der Slowakei gefunden wurden (jetzt im Mährischen Museum, Brünn); so der in Stein gemeißelte genau umrissene Bauch mit Oberschenkeln aus Tursac in der Dordogne sowie zahlreiche um 25 000 v. Chr. in Felswände der Dordogne eingeritzte Bilder von Schamlippen. Bei einer fremdartigen Sandsteinfigur aus der gleichen Zeit, die bei Chioggia in Italien gefunden wurde, ist der weibliche Körper ohne Füße mit einem gesichtslosen Kopf kombiniert worden, der der Spitze eines Phallus ähnelt, so als ob die Zeugungsorgane der beiden Geschlechter in einem gemeinsamen Bild vereinigt werden sollten (Museo Civico, Reggio nell'Emilia). Sexualität und Kunst erscheinen vom ersten Beginn an eng verbunden.
Venus von Willendorf, Österreich, 30 000-25 000 v. Chr., Kalkstein, Höhe 11,5 cm. Naturhistorisches Museum, Wien; Abb. 1.1, ebd., S. 30.
Venus von Willendorf, Österreich, 30 000-25 000 v. Chr., Kalkstein, Höhe 11,5 cm. Naturhistorisches Museum, Wien; Abb. 1.1, ebd., S. 30.

Eine sehr beschädigte, wohl ursprünglich etwa 43 cm hohe Elfenbeinstatuette eines Mannes 1.3 aus der gleichen Zeit wie die Venus von Willendorf wurde bei Brünn in der Slowakei im Grab eines offensichtlich bedeutenden Mannes gefunden, der mit reichem Schmuck bestattet worden war. Der Körper ist schematisch dargestelt, der Kopf jedoch mit kurz geschorenem Haar und tief eingefallenen Augen naturalistisch wiedergegeben. Ob es sich um ein Porträt, ein Symbol oder um das Abbild eines übernatürlichen Wesens handelte, muss offen bleiben. Aber durch den Fundort wird deutlich, dass die Statuette im Rahmen eines Beerdigungsritus verwendet worden war, der religiösen Glauben voraussetzt. Die im Grab des Mannes aus Brünn gefundenen Gegenstände dienten eindeutig dem Schmuck seiner Person - also einem anderen menschlichen Impuls, der mit den Künsten eng verknüpft ist, wenn wir auch nicht abschätzen können, inwieweit ästhetische oder magische Gesichtspunkte die Auswahl bestimmen. Ein kleiner Elfenbeinkopf aus Brassempouy 1.2 zeigt, dass die Frauen ihr Haar schon damals flochten. Bei anderen kleinen Elfenbein- und Knochenschnitzereien finden sich Anzeichen dafür, dass sie als Anhänger oder in Beuteln am Körper - vielleicht als Amulett - getragen worden sind. Unter ihnen gibt es einige bemerkenswert gut beobachtete Tiere 1.4; 5, die zusammen mit anderen ebenso fein gearbeiteten Stücken aus gebranntem Ton in der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb gefunden wurden (jetzt im Institut für Urgeschichte der Universität Tübingen). Wesentlich größer, ja wirklich imponierend, ist die erste echte Reliefskulptur 1.6.

Sie wurde 1911 in einem Felsunterschlupf in der Nähe von Laussel im Tal der Dordogne entdeckt, unweit der Höhlen von Lascaux 1.7; 9; 10; 12. Wenn man sie vor Ort aus einer leichten Untersicht betrachtet, wirkt diese bemerkenswerte Skulptur höchst plastisch: Die Wölbung der Schwangeren entspricht dem bauchigen Profil der Felsoberfläche, als sei es dem Bildhauer darum gegangen, eine darin wahrgenommene menschliche Gestalt herauszuarbeiten. Der Kopf existiert heute nicht mehr, doch offensichtlich war er im Profil dargestellt und blickte auf die erhobene rechte Hand, in der sich ein Bisonhorn befindet. Die linke Hand ruht auf dem Bauch und deutet auf den anschwellenden Schoß. Dies und vor allem das Bisonhorn, das sichelförmig ist wie der Mond und mit seinen dreizehn Kerben möglicherweise auf die Mondphasen hinweist, machen diese Figur zu einem wesentlich komplexeren Gebilde als die Venus von Willendorf oder andere frühe Fruchtbarkeitsdarstellungen. Die Jäger dürften gewusst haben, dass das Wachstum von Hörnern und Geweihen mit dem  Geschlechtszyklus von Tieren im Zusammenhang steht, und sie könnten das Horn als Verkörperung der Fortpflanzungsfähigkeit und Fruchtbarkeit - und eher noch nicht als Füllhorn - betrachtet haben. Dass die Figur als  Ganzes als ein Sinnbild für die lebensspendenden, nährenden und erneuernden Kräfte der Natur konzipiert wurde, scheint wahrscheinlich. Es könnte sich durchaus um die Darstellung einer Fruchtbarkeits- oder Muttergottheit handeln.

Wie die Venus von Willendorf, die Frau aus Brassempouy  und die Tiere aus der Vogelherdhöhle ist auch die Muttergöttin aus Laussel naturgetreu dargestellt. Dieser Naturalismus überrascht an der prähistorischen Kunst am meisten. Er wird sogar noch deutlicher bei den Tieren der Höhlenmalerei, die visuell und nicht konzeptionell wiedergegeben sind. Das bedeutet, dass sie im Gegensatz etwa zu Kinderzeichnungen darauf beruhen, was das Auge sieht und nicht, was das Bewusstsein weiß. Man kann nur vermuten, dass ihre ursprüngliche Zwecksetzung in irgendeiner Weise mit ihrer Naturtreue in Verbindung gestanden hat. Noch ungewöhnlicher ist, dass zur selben Zeit in der gleichen Region eine Symbolkunst gepflegt worden ist.

Diese Periode wird Jungpaläolithikum, Jüngere Altsteinzeit, genannt. Als man sich im 19. Jahrhundert des langen Zeitabschnitts bewusst wurde, der den frühesten Schriftaufzeichnungen vorausging, übetrug man ein bereits zur Klassifizierung der Artefakte benutztes chronologisches System auf die Frühgeschichte des Menschen: Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit. Die Steinzeit wurde dann  in Paläo-, Meso- und Neolithikum unterteilt, und diese wurden wiederum jeweils in Kulturen aufgeteilt, die man nach bedeutsamen Fundorten benannte. Dieses System wurde auch zur Charakterisierung der noch existierenden schriftlosen Kulturen Afrikas, Australiens, Asiens und Amerikas verwendet, was zu großer Verwirrung führte. In neuerer Zeit ist es durch die Radiokarbonmethode und durch andere wissenschaftliche Verfahren möglich geworden, sogar die ältesten Artefakte weitgehend präzise zu datieren. Dennoch werden die Begriffe des 19. Jahrhunderts weiterhin gebraucht.

Die Venus von Willendorf  und der Mann aus Brünn sind Erzeugnisse einer Kultur des Jungpaläolithikums, die in einem Gebiet blühte, das sich vom heutigen Frankreich bis zum südlichen Russland erstreckte, und die "Ost-Gravettien" genannt wird. Ihre Schöpfer lebten am Rande der Vereisungsgrenze in einer Landschaft, die dem heutigen Grönland vergleichbar ist. Sie ernährten sich durch die Jagd auf Mammuts, Rentiere, Wölfe, Pferde, arktische Füchse und Moorhühner. Während des langen Winters sammelten sie sich in Dörfern nahe einer Quelle, und manche dieser Dörfer sind mehrere Jahrhunderte lang bewohnt worden. Die Hütten aus Lehm, Steinen oder Mammutknochen verfügten über mindestens eine Feuerstelle. Es gab bereits Werkstätten, in denen Gerätschaften aus Stein, Knochen und Elfenbein hergestellt wurden und wo man Ton brannte - Hinweise auf die Herstellung spezialisierter handwerklicher Tätigkeiten.

Die Höhlenkunst

Unser Wissen über die prähistorische Kunst beruht auf Werken, die durch Zufall erhalten geblieben sind und wieder entdeckt wurden. Es bleibt offen, wie typisch oder wie außergewöhnlich diese Zufallsfunde sind. Über eine Periode, deren immense zeitliche Erstreckung das Einzige ist, was mit Sicherheit feststeht - eine nicht nach Jahrhunderten, sondern nach Zehntausenden von Jahren zählende Zeitspanne -, lassen sich aufgrund solcher Zufallsfunde keine Verallgemeinerungen treffen.

Gesamtansicht der Großen Halle von Lascaux, Frankreich, um 16 000-14 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfelsen. Abb. 1.7, ebd., S. 32.
Gesamtansicht der Großen Halle von Lascaux, Frankreich, um 16 000-14 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfelsen. Abb. 1.7, ebd., S. 32.

Als 1879 in Altamira in Nordspanien die ersten Beispiele prähistorischer Gemälde entdeckt wurden, verwarfen sie die meisten Archäologen als Fälschungen eines mit dem Eigentümer der Höhlen befreundeten Künstlers. Nur wenige konnten glauben, dass derart anschauliche Darstellungen von Tieren prähistorisch sein könnten. 1.11, und erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde allgemein anerkannt, dass sie aus dem Paläolithikum stammen. Weitere Entwicklungen im "franko-kantabrischen Dreieck", das sich von Nordspanien nach Südwestfrankreich erstreckt und dessen Spitze vom Tal der Dordogne, vor allem bei Lascaux, gebildet wird, erlaubten eine ungefähre Datierung mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden: ca. 16 000-14 000 v. Chr. für Lascaux, ca. 14 000 v. Chr. für Altamira und ca. 13 000-12 000 v. Chr. für Niaux. 1.17

 

Bison, Altamira, Spanien, um 16 000-14 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels, Länge 1, 95 m.; Abb. 1.11, ebd., S. 33.
Bison, Altamira, Spanien, um 16 000-14 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels, Länge 1, 95 m.; Abb. 1.11, ebd., S. 33.
Wildpferd, Niaux, Ariège, Frankreich, 14 000-12 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels, Länge des Pferdes 71 cm; Abb. 1.17, ebd., S. 35.
Wildpferd, Niaux, Ariège, Frankreich, 14 000-12 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels, Länge des Pferdes 71 cm; Abb. 1.17, ebd., S. 35.
Im Rahmen dieser Datierung wurde eine Chronologie vorgeschlagen, die auf der Annahme beruhte, dass sich die Darstellungsweise von einfachen zu komplexeren Formen, von nur im Umriss skizzierten hin zu mittels tonaler Abstufungen wiedergegebenen Tieren, von in groben Zügen gearbeiteten zu sorgfältig ausgeführten Bildern entwickelt habe. Doch alle diese Hypothesen wurden hinfällig, als man 1994 in einer Schlucht der Ardèche im Südosten Frankreichs eine Höhle entdeckte, die zahlreiche Malereien enthält, die sich mit Hilfe der Radiokarbonmethode als etwa 10 000 Jahre älter als die Malereien von Lascaux erwiesen haben, also vor etwa 25 000 Jahren entstanden und damit genauso alt sind, wenn nicht sogar älter als die Venus von Willendorf. 1.1.
Diese in der Chauvethöhle gefundenen Malereien (benannt nach einem Höhlenforscher, der sie entdeckte) zeugen mit mehr als 200 Tierbildern von einer umfassenden Vertrautheit mit den Grundlagen malerischer Darstellung. Bei einigen dieser Bilder handelt es sich um Ritzzeichnungen, doch ist die Mehrzahl  gemalt, einige von ihnen sind mehr als zwei Meter lang. Das Ensemble erstreckt sich über etwa 500 m an den Wänden und Decken dieser natürlichen Hohlräume entlang. Mit einer erstaunlichen Ökonomie der Mittel wird das Charakteristische der Tiere erfasst, nicht nur deren Form und Textur, sondern auch ihre Gangart und physische Präsenz. Nahe dem Eingang sind die Konturen einer Hyäne mit einem gefleckten Kopf und einem wuchtigen Hals dargestellt, so, als habe das Tier gerade einen Eindringling gewittert. 1.8
Hyäne und Panther, aus der Chauvethöhle, Ardèchetal, Frankreich, um 25 000-17 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfelsen; Abb. 1.8, ebd., S. 32.
Hyäne und Panther, aus der Chauvethöhle, Ardèchetal, Frankreich, um 25 000-17 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfelsen; Abb. 1.8, ebd., S. 32.
Es handelt sich um die ältesten uns bekannten Gemälde, und wir können nur spekulieren, wie ihre schöpfer eine solche Kunstfertigkeit und eine derartige Freiheit und Souveränität bei der Ausführung erworben haben - mit Schattierungen, insbesondere bei Pferdeköpfen 1.14 und, wie es scheint, sogar der  Fähigkeit zur perspektivischen Darstellung einer Nashornherde 1.13: Vielleicht auf den Wänden noch älterer Höhlen, die zerstört wurden oder noch ihrer Entdeckung harren, oder auf unbeständigen Oberflächen, etwa Leder oder der menschlichen Haut. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob die Ursprünge dieser Kunst nördlich des Mittelmeerraumes liegen, aber sicher und bemerkenswert ist, dass sie in Südeuropa seit der Zeit der Chauvethöhle 20 000 Jahre lang, von lokalen Variationen abgesehen, im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wurde.
Pferde, Nashörner und Auerochsen, Chauvethöhle, Ardèchetal, Frankreich, um 25 000-17 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels; Abb. 1.14, ebd., S. 34.
Pferde, Nashörner und Auerochsen, Chauvethöhle, Ardèchetal, Frankreich, um 25 000-17 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels; Abb. 1.14, ebd., S. 34.
Linke Seite der Löwentafel und eine Nashornherde, Chauvethöhle, Ardèchetal, Frankreich, um 25 000-17 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels; Abb. 1.13, ebd., S. 34.
Linke Seite der Löwentafel und eine Nashornherde, Chauvethöhle, Ardèchetal, Frankreich, um 25 000-17 000 v. Chr., Pigment auf Kalksteinfels; Abb. 1.13, ebd., S. 34.

Die Höhle von Chauvet weist viele Gemeinsamkeiten mit denjenigen des franko-kantabrischen Dreiecks auf. Sie alle erstrecken sich Hunderte von Metern unter Tage, und die Malereien befinden sich meistens in den hintersten Winkeln, weit vom Tageslicht und jenen Höhlenvorplätzen entfernt, die wohl zum Wohnen dienten. In Niaux liegt die am kunstvollsten bemalte Kammer achthundert Meter tief, und die Besucher der Hauptkammer von Bédeilhac müssen sogar durch einen langen Durchgang kriechen. Die Pigmente, die in der Höhle von Chauvet benutzt wurden, waren roter Ocker und Holzkohle , ersterer vor allem für Bilder in der Nähe des Eingangs, letztere für die meisten Tierdarstellungen in den inneren Kammern, vor allem bei Pferden und Löwen. Manchmal wurden zunächst Linien in den Fels geritzt und dann mit Farbe ausgefüllt. In Lascaux sind die Bilder schärfer geritzt, sehr klein und dienen als Ergänzung der Malereien, außerdem wurde eine umfangreichere Farbpalette benutzt, die auf natürlichen Mineralien beruht - Rot, Gelb- und Brauntöne aus Ocker und Hämatit; Schwarz, Dunkelbraun und Violett aus verschiedenen Manganerzen. Diese Stoffe wurden zu Pulver gerieben und direkt auf die feuchte Kalksteinoberfläche aufgetragen. Zuerst wurden die Umrisse mit einem Pelz- oder Moosbausch, mit einfachen Pinseln aus Pelz, Federn oder einem weichgekauten Stock, auch einfach mit dem Finger an die Wand gemalt. Dann wurden sie farbig ausgefüllt, indem man das Farbpulver durch Röhrenknochen verstäubte (solche Röhren mit Farbspuren wurden in etlichen Höhlen gefunden). Häufig, aber nicht immer machten sich die Maler die natürliche Form der Höhlenkammern zunutze. So verwendete man eine große, etwa zehn Meter breite Fläche in der Höhle von Chauvet zur Darstellung einer immensen Ansammlung von Tieren, von denen die meisten dem Eingang einer anderen Kammer zugewandt sind. 1.14 Große, je fünf Meter lange Stiere wurden auf die Decke der ungewöhnlich geräumigen Großen Halle von Lascaux gemalt 1.7. An anderen Stellen finden sich weiträumige Höhlenkammern mit sehr wenigen Gemälden. Die Unregelmäßigkeiten der Felswände wurden mitunter geglättet, aber in der Regel ignoriert und manchmal bildnerisch genutzt, etwa in der Höhle von Chauvet, wo die Vordertatze eines Bären als Relief auf einen Vorsprung gemalt wurde. Ob die Höhlenmalerei dadurch entstand, dass ein Steinzeitjäger in den Ritzen und Adern, den Ausbeulungen und Vertiefungen der Felsoberflächen Bilder von Tieren sah - so wie wir selbst manchmal Bilder in den zufälligen Flecken auf einer alten Wand erkennen - muss offen bleiben. (...)

(Auszug aus Kapitel I.1. Ursprünge der Kunst. Die vorgeschichtliche Zeit, ebd., S. 28-35)

 

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