UNIDROIT-Konvention
Grundzüge der UNIDROIT-Konvention
Art. 1
Article 1
This Convention applies to claims of an international character for:
(a) the restitution of stolen cultural objects;
(b) the return of cultural objects removed from the territory of a Contracting State contrary to its law regulating the export of cultural objects for the purpose of protecting its cultural heritage (hereinafter "illegally exported cultural objects").
Art. 2
Article 2
For the purposes of this Convention, cultural objects are those which, on religious or secular grounds, are of importance for archaeology, prehistory, history, literature, art or science and belong to one of the categories listed in the Annex to this Convention.
Art. 10 Abs.1 und 2
Article 10
(1) The provisions of Chapter II shall apply only in respect of a cultural object that is stolen after this Convention enters into force in respect of the State where the claim is brought, provided that:
(a) the object was stolen from the territory of a Contracting State after the entry into force of this Convention for that State;
Die Beschränkung auf Sachverhalte mit internationalem Charakter ("claims of an international character") wirft vor allem für gestohlenes Kulturgut Probleme auf. (vgl. Hipp, S. 203)
Das Übereinkommen modifiziert allerdings nicht das nationale Recht der Vertragstaaten, insbesondere deren Bestimmungen über den gutgläubigen Eigentumserwerb.
Ein Rückgabeanspruch besteht nach dem Übereinkommen aber nur dann, wenn Kulturgut von einem Vertragstaat in einen anderen verbracht wird, bevor dort an diesem Kulturgut gutgläubig Eigentum erworben wurde. Der nach dem Verbringen einmal entstandene Herausgabeanspruch soll auch dann bestehen bleiben, wenn das Kulturgut später in das Herkunftsland zurückkehrt.
Der Rückgabeanspruch besteht nach dem Übereinkommen jedoch nicht, wenn vor der Erbringung in einen anderen Vertragstaat in demjenigen Vertragstaat, in welchem der Diebstahl stattgefunden hat, bereits gutgläubig Eigentum erworben wurde. Gleiches gilt für den Fall, dass Kulturgut in Deutschland gestohlen und übereignet wird, der Erwerber dieses Kulturgut zehn Jahre gutgläubig in Besitz hat und es danach nach Frankreich verbringt. Der Rückgabeanspruch gilt nach dem UNIDROIT-Übereinkommen auch dann nicht, wenn das gestohlene Kulturgut später in sein Herkunftsland zurückkehrt. (vgl. Hipp, S.203)- Rückgabe gestohlener Kulturgüter
Art. 3
Art. 3 verpflichtet den Besitzer gestohlenen Kulturgutes zur Rückgabe. Dem gestohlenen Kulturgut wird nach Art. 3 Abs.2 ein rechtswidrig ausgegrabenes oder rechtmäßig ausgegrabenes, jedoch rechtswidrig einbehaltenes Kulturgut gleichgestellt, wenn dies mit den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Ausgrabungen stattgefunden haben, vereinbar ist.
Gemäß Art. 3 Abs.3 ist dieser Rückgabeanspruch binnen drei Jahren nach positiver Kenntnis vom Aufenthalt des Kulturgutes und der Identität des Besitzers zu stellen, längstens jedoch 50 Jahre nach dem Diebstahl.
Das UNIDROIT-Übereinkommen von 1995 begründet demnach für gestohlenes bzw. illegal exportiertes Kulturgut einen generellen Rückgabeanspruch gegen angemessene Entschädigung des gutgläubigen Erwerbers. Dieser ist unabhängig vom Gutglaubenserwerb. Die absolute Verjährungsfrist für diesen Rückgabeanspruch beträgt 50 Jahre.
Im Falle gestohlenen Kulturgutes besteht allerdings auch hier ein Widerspruch zu den deutschen Regelungen des gutgläubigen Erwerbs durch öffentliche Versteigerung, der gutgläubigen Ersitzung und der Verjährung des Herausgabeanspruchs.
Article 3
(1) The possessor of a cultural object which has been stolen shall return it.
(2) For the purposes of this Convention, a cultural object which has been unlawfully excavated or lawfully excavated but unlawfully retained shall be considered stolen, when consistent with the law of the State where the excavation took place.
(3) Any claim for restitution shall be brought within a period of three years from the time when the claimant knew the location of the cultural object and the identity of its possessor, and in any case within a period of fifty years from the time of the theft.
(...)
Sonderregelungen
In Art. 3 Abs.4 und 5 sind Sonderregelungen für Kulturgut enthalten, welches Bestandteil eines identifizierbaren Denkmals oder einer identifizierbaren archäologischen Stätte ist oder einer öffentlichen Sammlung angehört. Der Anspruch auf Rückgabe eines solchen Kulturgutes unterliegt der relativen Verjährungsfrist von drei Jahren, grundsätzlich jedoch keiner absoluten Verjährungsfrist. Unbeschadet dieser Bestimmung können die Vertragstaaten allerdings eine absolute Verjährungsfrist von 75 oder mehr Jahren bestimmen.
(4) However, a claim for restitution of a cultural object forming an integral part of an identified monument or archaeological site, or belonging to a public collection, shall not be subject to time limitations other than a period of three years from the time when the claimant knew the location of the cultural object and the identity of its possessor.
(5) Notwithstanding the provisions of the preceding paragraph, any Contracting State may declare that a claim is subject to a time limitation of 75 years or such longer period as is provided in its law. A claim made in another Contracting State for restitution of a cultural object displaced from a monument, archaeological site or public collection in a Contracting State making such a declaration shall also be subject to that time limitation.
(...)
Art. 4
Gemäß Art. 4 Abs.1 steht dem zur Rückgabe verpflichten Besitzer gestohlenen Kulturgutes ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zu, wenn er von dem Diebstahl weder wusste noch vernünftigerweise hätte wissen müssen und er den Nachweis erbringt, dass er beim Erwerb mit der erforderlichen Sorgfalt (vgl. Art. 4 Abs.4) gehandelt hat. Der Sorgfalt des Besitzers gleichgestellt ist gemäß Art. 4 Abs.5 diejenige seines Rechtsvorgängers, von dem er das gestohlene Kulturgut geerbt oder in sonstiger Weise unentgeltlich erworben hat.
Article 4
(1) The possessor of a stolen cultural object required to return it shall be entitled, at the time of its restitution, to payment of fair and reasonable compensation provided that the possessor neither knew nor ought reasonably to have known that the object was stolen and can prove that it exercised due diligence when acquiring the object.
(2) Without prejudice to the right of the possessor to compensation referred to in the preceding paragraph, reasonable efforts shall be made to have the person who transferred the cultural object to the possessor, or any prior transferor, pay the compensation where to do so would be consistent with the law of the State in which the claim is brought.
(3) Payment of compensation to the possessor by the claimant, when this is required, shall be without prejudice to the right of the claimant to recover it from any other person.
(4) In determining whether the possessor exercised due diligence, regard shall be had to all the circumstances of the acquisition, including the character of the parties, the price paid, whether the possessor consulted any reasonably accessible register of stolen cultural objects, and any other relevant information and documentation which it could reasonably have obtained, and whether the possessor consulted accessible agencies or took any other step that a reasonable person would have taken in the circumstances.
(5) The possessor shall not be in a more favourable position than the person from whom it acquired the cultural object by inheritance or otherwise gratuitously.
Lösungsrecht
Die Art. 3 und 4 führen per se nicht zum Ausschluss des gutgläubigen Eigentumserwerbs an gestohlenen Kulturgütern. Sie beschränken sich allein auf die Anordnung seiner Rückgabe, verbunden mit einem Lösungsrecht des gutgläubigen Erwerbers.
Mit der Aufnahme dieses Lösungsrechtes in das Übereinkommen gedachte man denjenigen Staaten, die einen gutgläubigen Eigentumserwerb an gestohlenen Sachen zulassen, die Unterzeichnung zu erleichtern.
Die in Art. 4 Abs.4 an die notwendige Sorgfalt gestellten Anforderungen sind allerdings extrem hoch, so dass eine Zahlung der angemessenen Entschädigung in den seltensten Fällen in Betracht kommen wird.
Art. 9
Die Vorschriften der Art. 3 und 4 bedingen umgekehrt aber nicht, dass diejenigen Staaten, die einen gutgläubigen Erwerber gestohlener Sachen nicht schützen - so etwa die Bundesrepublik Deutschland - ein Lösungsrecht einführen müssen, da Art. 9 den Vertragstaaten insoweit einen Vorbehalt einräumt. (vgl. Hipp, S.205).
Article 9
(1) Nothing in this Convention shall prevent a Contracting State from applying any rules more favourable to the restitution or the return of stolen or illegally exported cultural objects than provided for by this Convention.
(2) This article shall not be interpreted as creating an obligation to recognise or enforce a decision of a court or other competent authority of another Contracting State that departs from the provisions of this Convention.
- Rückführung rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter
Art. 5
Ein Vertragstaat, aus dessen Hoheitsgebiet ein Kulturgut rechtswidrig ausgeführt oder zu Ausstellungs-, Forschungs- oder Restaurationszwecken etc. vorübergehend rechtmäßig ausgeführt wurde, aber nicht frist- oder bedingungsgerecht zurückgeführt wurde, kann vom Importstaat die Rückführung verlangen, wenn er den Nachweis erbringt, dass die Entfernung des Kulturgutes aus seinem Hoheitsgebiet wesentliche Interessen beeinträchtigt oder das Gut für ihn von wesentlicher kultureller Bedeutung ist. Gemäß Art. 5 Abs.5 ist der Rückführungsantrag binnen drei Jahren nach positiver Kenntnis vom Aufenthaltsort des Kulturgutes und der Identität des Besitzers zu stellen, längstens jedoch bis 50 Jahre nach der rechtswidrigen Ausfuhr.
Article 5
(1) A Contracting State may request the court or other competent authority of another Contracting State to order the return of a cultural object illegally exported from the territory of the requesting State.
(2) A cultural object which has been temporarily exported from the territory of the requesting State, for purposes such as exhibition, research or restoration, under a permit issued according to its law regulating its export for the purpose of protecting its cultural heritage and not returned in accordance with the terms of that permit shall be deemed to have been illegally exported.
(...)
Art. 6
Hatte der rückgabepflichtige Besitzer zum Zeitpunkt des Erwerbs von der rechtswidrigen Ausfuhr des Kulturgutes keine Kenntnis oder hätte er vernünftigerweise davon keine Kenntnis haben müssen, kann er nach Art. 6 Abs.1 vom Antragsstaat eine angemessene Entschädigung verlangen. Gemäß Art. 6 Abs.5 ist der Gutgläubigkeit des Besitzers diejenige seines Rechtsvorgängers, von dem er das gestohlene Kulturgut geerbt oder in sonstiger Weise unentgeltlich erworben hat gleichgestellt.
Article 6
(1) The possessor of a cultural object who acquired the object after it was illegally exported shall be entitled, at the time of its return, to payment by the requesting State of fair and reason compensation, provided that the possessor neither knew nor ought reasonably to have known at the time of acquisition that the object had been illegally exported.
(2) In determining whether the possessor knew or ought reasonably to have known that the cultural object had been illegally exported, regard shall be had to the circumstances of the acquisition, including the absence of an export certificate required under the law of the requesting State.
(...)
Der rückgabepflichtige Besitzer hat gemäß Art. 6 Abs.3 die Möglichkeit, an Stelle seines Anspruchs auf eine angemessene Entschädigung gegenüber dem Antragsstaat, mit diesem zu vereinbaren, das Eigentum am Kulturgut im Antragsstaat selbst auszuüben oder es auf eine dort ansässige Person seiner Wahl, welche die notwendigen Garantien bietet, zu übertragen.
Das UNIDROIT-Übereinkommen überlässt demnach die Regelung der Eigentumslage am Kulturgut nach seiner Rückgabe den Vertragsstaaten selbst. Die Rückgabe des Kulturgutes an den Antragsstaat stellt demnach keine Enteignung dar.(vgl. Hipp, S.206)
Art. 7
Die Unidroit-Konvention statuiert in Art. 7 Einschränkungen der Rückführungspflicht. Kulturgüter, die zu Lebzeiten des Urhebers oder bis 50 Jahre nach dessen Tod ausgeführt wurden, können nicht zurückgefordert werden. Davon ausgenommen sind allerdings Kulturgüter von Angehörigen einer Eingeborenen- oder Stammesgemeinschaft, welche zum traditionellen oder rituellen Gebrauch durch die Gemeinschaft bestimmt sind.
Article 7
(1) The provisions of this Chapter shall not apply where:
(a) the export of a cultural object is no longer illegal at the time at which the return is requested; or
(b) the object was exported during the lifetime of the person who created it or within a period of fifty years following the death of that person.
(2) Notwithstanding the provisions of sub-paragraph (b) of the preceding paragraph, the provisions of this Chapter shall apply where a cultural object was made by a member or members of a tribal or indigenous community for traditional or ritual use by that community and the object will be returned to that community.
Ein Novum ...
Auch wenn ein Land den Export von Kulturgütern verbietet, so gibt es doch bis heute kaum einen Staat, der eine solche Prohibition nach innerstaatlichem Recht respektiert. Mithin bedarf es einer zwischenstaatichen Vereinbarung, um die Rückgabe illegal exportierter Kulturgüter zu garantieren. Die UNIDROIT-Konvention stellt disbezüglich ein "Novum" dar , denn sie enthält nicht nur direkt anwendbare Rechtsnormen. Zum ersten Mal werden Exportverbote der Vertragsstaaten direkt in inländisches Recht transferiert und müssen unter gewissen Bedingungen von jedem Vertragsstaat befolgt werden. (vgl. Wiederkehr Schuler, S.21)
Die Vertragsstaaten haben gemäß Kapitel III der Konvention das Recht rechtswidrig ausgeführtes Kulturgut aus einem anderen Vertragsstaat zurückfordern. War der Besitzer des Kulturgutes gutgläubig, d.h. wusste er nicht oder konnte er nicht wissen, dass der Export verboten war, erhält er eine angemessene Entschädigung.
Ebenso wie im Fall der Rückgabe von gestohlenen Kulturgütern gemäß Art. 4 der UNIDROIT-Konvention besteht auch hier eine Erkundigungspflicht. Kann auf Verlangen des Staates keine Ausfuhrbescheinigung für ein bestimmtes Kulturgut vorgelegt werden, gilt der Besitzer gemäß Art. 6 Abs.2 nicht als gutgläubig.
Sowohl bei den Gegnern als auch den grundsätzlichen Befürwortern dieser Konvention geben die Bestimmungen über die Rückführung rechtswidrig ausgeführter Kulturgüter immer wieder Anlass zur Kritik. Es besteht die Befürchtung, dass jedes beliebige Kulturgut mit einem staatlichen Exportverbot belegt werden kann. Bestimmungen dieser Art und die damit verbundenen Restriktionen im Kulturgüterverkehr wurden bisweilen als Kulturnationalismus bezeichnet, da durch diese Bestimmungen die freie Zirkulation der ansonsten "legalen" Kulturgüter unterbunden wird. Eine Beschränkung staatlicher Schutzmaßnahmen auf ausgewählte Objekte von besonderer Bedeutung hat die UNIDROIT-Konvention nicht vorgesehen. Ausreichend ist allein, dass der ersuchende Staat den Nachweis erbringt, dass die Entfernung des Kulturgutes wissenschaftliche oder kulturelle Interessen wesentlich beeinträchtigt oder das Gut für ihn von wesentlicher kultureller Bedeutung ist.
Tatsache ist indessen, dass gerade die an Kulturgütern aber nicht unbedingt wirtschaftlich reichen Länder, zu restriktiven nationalen Gesetzen tendieren, um ihre Kulturgüter vor einem Export zu schützen. Die an Kulturgut ärmeren und damit vom Export ihrer Kulturgüter weniger betroffenen Länder neigen eher zu liberalen, weniger protektionistischen Gesetzen. Wirtschaftlich schwache Drittländer verfügen oftmals über ein hohes Potential an Kulturgütern, welches in die finanzkräftigen Industriestaaten abfließt. Die dadurch bedingte Abwanderung des Kulturgutes ins Ausland sollte durch diese Bestimmungen des Kapitels III der UNIDROIT-Konvention unterbunden werden. (vgl. Wiederkehr Schuler, S.22)
Die Diskussionen über eine Annahme oder Ablehnung der UNIDROIT-Konvention führten zu einem grundlegenden Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern. Dieser beschränkte sich bisher im Wesentlichen auf die befürwortenden Argumente der Archäologen und Ethnologen einerseits und auf die ablehnenden Argumente der Kunsthändler und Kunstsammler andererseits.
Die Befürworter sehen die zentrale Zielsetzung der Konvention in der Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgütern sowie der Herbeiführung von mehr Rechtssicherheit im Kunsthandel. Die Gegner der Konvention befürchten dem hingegen eine starke Rechtsunsicherheit, bedingt durch die den Käufern auferlegten weitreichenden Sorgfaltspflichten, die weite Formulierung des Begriffs "Kulturgut" und die Exportverbote der Vertragstaaten. Die Einengung dieser Sichtweise führte letztlich auch dazu, dass die UNIDROIT-Konvention als ein sehr weitgefasstes, internationales Vertragswerk nicht als Ganzes, sondern nur in einzelnen Teilaspekten beachtet wurde.
Fortsetzung: Die Anthropozentrische Dimension ...
© Ulrike-Christiane Lintz, 01.03.2007