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Rezension - Teil V

Der Rahmen ihrer Präsenz ...

Jener viel zitierte Satz  Amrita Sher Gils  steht am  Anfang einer kaleidoskopischen Hommage an eine einzigartige Frau, eine außergewöhnliche Grenzgängerin zwischen  europäischer und indischer Kultur.

"Europa gehört Picasso, Matisse, Braque und vielen anderen. Indien gehört nur mir", erklärte Amrita Sher-Gil 1938 und artikulierte damit den selbstbewußten Anspruch, die erste wirklich moderne indische Malerin zu sein. (S.13) 
Buchansicht / Tafel 18: Umrao Singh Sher-Gil, Amrita with Her Paintings (Amrita mit ihren Gemälden), 1930; Schwarzweiß-Photographie (Wohnung der Familie Sher-Gil in Paris), Sammlung  Vivan und Navina Sundaram, New Delhi - Copyright Vivan und Navina Sundaram
Buchansicht / Tafel 18: Umrao Singh Sher-Gil, Amrita with Her Paintings (Amrita mit ihren Gemälden), 1930; Schwarzweiß-Photographie (Wohnung der Familie Sher-Gil in Paris), Sammlung Vivan und Navina Sundaram, New Delhi - Copyright Vivan und Navina Sundaram

 

Deepak Ananth bemerkt:

"Zu der Zeit war sie fünfundzwanzig Jahre alt, hatte ihre Ausbildung an der École des Beaux-Arts in Paris abgeschlossen (in die sie als Sechszehnjährige eingetreten war), hatte 1934 - im Alter von einundzwanzig - die folgenschwere Entscheidung getroffen, nach Indien zurückzukehren und war dann zu einer großen Entdeckungsreise aufgebrochen, die sie insbesondere mit der klassischen und mittelalterlichen Kunst Indiens in Berührung bringen sollte. Diese Reise wurde für sie zu einer entscheidenden ästhetischen Offenbarung, die auch der Richtung ihrer Kunst einen neuen Weg wies. In den sieben Lebensjahren, die Sher-Gil noch bleiben sollten, arbeitete sie daran, ihre europäischen Erfahrungen den Erkenntnissen anzupassen, die sie auf indischem Boden gewonnen hatte." (S.13)

"Ein unvollendetes Projekt"  wird zu einem Auftakt einer bemerkenswerten Dekodierung und objektiven Würdigung jener Legende um eine rätselhafte Persönlichkeit und wunderbare Frau, Amrita Sher-Gil.  Die Ausstellung und das Begleitbuch verbinden die unterschiedlichen Blickwinkel der beteiligten  Protagonisten, die uns im Essay Deepak Ananths aus der analytischen Sicht eines Kunsthistorikers und -kritikers, auch unabhängigen Kurators in zahlreichen Facetten wiederbegegnen und  das Leben und Werk Amrita Sher-Gils in den unterschiedlichsten Augenblicken ihres künstlerischen Daseins und Wirkens wiederspiegeln.

Deepak Ananth weist darauf hin "Den Rahmen ihrer Präsenz in einem wörtlicheren Sinn bildete allerdings das Kameraobjektiv." (S.30)

Amritas Vater, Umrao Singh Sher-Gil, ein "genialischer Amateurphotograph",  hinterlies eine wertvolle Photosammlung. Hauptmotiv seiner Aufnahmen  waren seine Familie, seine ungarische Frau, seine beiden Töchter und er selbst. Es existieren über Hunderte von Aufnahmen, eine faszinierende Photodokumentation über das Leben einer indo-europäischen Familie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. (S.30)

Umrao Singh, als Mensch von eben solcher Faszination wie seine Tochter Amrita, war im Gegensatz zu seiner übrigen Familie - diese stand loyal zur britischen Kolonialmacht  - Nationalist und lebte als unabhängiger Privatgelehrter.

Umrao Singh Sher-Gil war in der Kameratechnik stets auf dem neuesten Stand, kannte das Autochromverfahren und die Stereophotographie. In Indien galt er ganz sicher als einer der ersten Photographen, die mit diesen Neuerungen experimentierten. Er arrangierte mit großer Freude immer wieder Szenen, um sich und seine Familie abzulichten. Die Kamera ermöglichte ihm diese Form der Selbstinszenierung, obgleich seine tiefe Trauer über den frühen Tod seiner Tochter und den Selbstmord seiner Frau Marie Antoinette -  ein Jahr nach Amritas überraschendem Tod - , immer wieder erkennbar war. (S.30)